Vernetzung von Humanwissenschaft und Bautechnik

 Verhaltensrelevante psychologische Aspekte von Mensch-Gebäude-Wechselwirkung werden seit einigen Jahren im Zusammenhang mit dem Nutzungsverhalten bei energieeffizienten Gebäuden thematisiert und untersucht, können aber noch nicht als in der Baubranche etabliert betrachtet werden. Moderne Gebäudekonzepte wie das Passivhaus, Niedrigenergie- oder Plusenergiegebäude setzen häufig ein spezifisches „standardisiertes“ Nutzungsverhalten voraus, damit die vorgesehene Funktionsweise gewährleistet ist und die geplanten Energieeffizienzziele erreicht werden. 

Umso wichtiger ist es zu verstehen, welche wahrnehmungs-, verhaltenspsychologischen und -biologischen Parameter wirksam werden und das NutzerInnenverhalten beeinflussen können. Basierend auf diesen Erkenntnissen können sowohl technische Lösungen verbessert und an die Bedürfnisse und Anforderungen der NutzerInnen angepasst werden, als auch die NutzerInnen intuitiv oder durch entsprechende Schulungs- oder Aufklärungsmaßnahmen zur optimalen Nutzung bewegt werden.

Moderne Baukonzepte im Neubau und in der Sanierung sind vor allem dahingehend ausgerichtet, hohe Ansprüche an die technische Qualität, den thermischen Komfort und die Energieeffizienz, zunehmend auch an die Ökoeffizienz, sowie ein ansprechendes Architekturdesign und eine funktionale Raumqualität zu erfüllen. Die Auswirkungen gebauter Räume auf Verhalten, Wohlbefinden, Produktivität und Gesundheit der NutzerInnen spielen derzeit noch eine untergeordnete Rolle - obwohl sie von hoher und stetig wachsender Relevanz sind. 

In westlichen Industriegesellschaften verbringen Menschen den größten Anteil ihrer Lebenszeit innerhalb von Gebäuden. Zugleich zeigt sich ein massiver Anstieg an Zivilisationskrankheiten, wie Übergewicht, Bluthochdruck, psychische Erkrankungen, Stress und Burnout, Allergien, Asthmaerkrankungen usw. - wodurch sich die Anforderungen  an Gebäude verändern und der Anspruch an Baulösungen, ein gesundes, behagliches und der Nutzung entsprechendes Umfeld zu gewährleisten, in Zukunft noch verstärken wird. Demografische Entwicklungen wie eine steigende Lebenserwartung und zunehmende Migration stellen die Baubranche zusätzlich vor die Herausforderung einer zunehmenden gesellschaftlichen Diversität und der damit verbundenen Vielfältigkeit an Anforderungen.

Die Auseinandersetzung  mit den für die Bewältigung erforderlichen Grundlagen erfolgt in der Baubranche bisher nur ansatzweise in den Fachbereichen der Architektur- und Wohnpsychologie, der Architektursoziologie, der Baubiologie und der Humanökologie. Im Bereich der Raumgestaltung werden, etwa bei der Konzeptionierung pädagogischer Räume, vereinzelt Erkenntnisse aus der Psychologie und Humanethologie aufgegriffen. Die Methode des Evidence-based Design führt Wissen aus Medizin- und Gesundheitswissenschaften mit dem Know-How aus Architektur und Bautechnik zusammen, sie kommt derzeit jedoch ausschließlich im Gesundheitswesen zur Anwendung.

Auch das Department für Bauen und Umwelt an der Donau-Universität Krems befasst sich in einem stark interdisziplinär ausgerichteten Team und im Rahmen zahlreicher Kooperationen seit vielen Jahren in Forschung und Lehre mit den unterschiedlichsten Aspekten der Bau- und Immobilienbranche und kann als eine Art Knotenpunkt für Beteiligte und Themen rund um Bauen und Gebäude gesehen werden. Eine umfassende und systematische Zusammenstellung der für den Bausektor relevanter humanwissenschaftlichen Themenbereiche und Erkenntnisse, sowie ihre zielgruppengerechte Aufbereitung und der Transfer in die unterschiedlichen Bereiche der Baubranche soll im Rahmen von Gebäudesoftskills entwickelt werden.

Zuletzt geändert: Monday, 13. February 2017, 14:55